Gastbeitrag REGA: Kleine Drohne, grosse Gefahr – Wie eine Drohne einen Rega-Einsatz verzögert
Kurz vor 19 Uhr wurden wir von der Rega-Einsatzzentrale zu einem Einsatz für einen verletzten Wanderer beim Harder aufgeboten. Gemäss Alarmierung war eine Landung direkt beim Patienten nicht möglich, weshalb wir uns auf einen Einsatz mit der Rettungswinde vorbereiteten. Das bedeutet, dass die Notärztin bereits auf der Basis das «Gstältli» anlegt und der Rettungssanitäter als Windenoperator hinten in der Kabine mitfliegt, statt wie sonst üblich vorne im Cockpit.
Dohne gesichtet…
Wenige Minuten später und nach dem kurzen Überflug von der Basis Wilderswil zum Harder befanden wir uns bei den von der Einsatzzentrale übermittelten Koordinaten. Nach kurzer Suche konnten wir die verletzte Person auf dem Wanderweg oberhalb der Schibeflue aus der Luft ausmachen. Als wir die bevorstehende Windenaktion kurz zusammen besprachen, befand sich der Helikopter auf der Höhe der Schibefluehütte im Schwebeflug. In diesem Moment bemerkte der Rettungssanitäter eine Drohne unter uns und informierte mich darüber. Bei der Drohne handelte es sich eher um ein kleines Modell mit einem Durchmesser von ca. 20 cm.
Looking out.
Unsere Distanz zum Hang betrug ca. 60 Meter, die Höhe über Unterseen ca. 180 Meter. Der Rettungssanitäter sass hinten auf dem Windensitz an der geöffneten Schiebetüre und hatte eine gute Sicht nach unten. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Sichtkontakt zur Drohne. Gemäss seiner Aussage flog die Drohne in einem Abstand von ca. 10 Meter und mit hoher Geschwindigkeit unter dem Helikopter durch und verschwand dann aus seinem Sichtfeld.
Unnötige Störmanöver führen zu Abbruch des Rettungseinsatzes
Ich drehte den Helikopter linksherum weg vom Harder Richtung Spital Interlaken und konnte die Drohne kurz darauf rechts von uns sehen. Wir beobachteten, wie sie sich Richtung Unterseen Lehn von uns entfernte. Nach kurzer Zeit hatten wir keinen Sichtkontakt mehr. Ich flog eine Volte und wir suchten den Luftraum nach der Drohne ab, konnten sie jedoch nicht finden. Darauf entschieden wir uns, mit der Windenaktion zu starten.
Kurz nach Beginn des Anfluges zum Absetzen der Notärztin mit der Winde tauchte die Drohne erneut auf. Ich sah sie von Unterseen herkommend auf uns zufliegen. Sofort informierte ich die Crew und brach den Anflug ab. Unsere Ärztin befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits an der Winde ausserhalb vom Helikopter, jedoch noch auf Höhe der «Step bar». Die Drohne kreuzte unseren Flugweg ca. 10 Meter unterhalb und ca. 20 Meter vor dem Helikopter. Nach dem Vorbeiflug konnte ich beobachten, wie die Drohne steil nach oben stieg und die Geschwindigkeit verringerte. Zu diesem Zeitpunkt konnte auch der Rettungssanitäter die Drohne auf der rechten Seite von uns sehen. Ich drehte die Maschine umgehend Richtung Unterseen ab, um uns mehr Distanz zur Drohne zu verschaffen. Wir entschlossen uns, den Einsatz zu unterbrechen und landeten in sicherer Entfernung beim Spital Interlaken. Via Rega-Einsatzzentrale informierten wir die Polizei über den Vorfall.
Zweiter Rettungsversuch erfolgreich
Vom Landeplatz beim Spital Interlaken hatten wir gute Sicht zur Schibeflue. Nachdem wir ca. 5 Minuten gewartet hatten und die Drohne in dieser Zeit nicht mehr sehen konnten, entschlossen wir uns für einen erneuten Rekognoszierungsflug beim Einsatzort. Die Drohne haben wir nicht mehr gesehen und konnten unseren Einsatz fortsetzen, den Patienten medizinisch versorgen und anschliessend ohne weitere Zwischenfälle ins nächste, geeignete Spital fliegen. Die Polizei fuhr mit einem Patrouillenfahrzeug vor Ort, konnte jedoch den Drohnenpiloten nicht ausfindig machen.
«Ich habe Vortritt. Deine Drohne bleibt am Boden.»
Das Fliegen von Drohnen in der Nähe von laufenden Rettungseinsätzen ist verboten. Solche Aktionen können nicht nur uns als Helikopter-Crew gefährden, sondern auch das Leben von Patienten, die je nach Einsatz dringend auf die medizinische Versorgung angewiesen sind.
Auch kleine und leichte Drohnen stellen eine grosse Gefahr dar für uns, weshalb die Regel für die Drohnenpiloten einfach ist: Nähert sich ein Rettungshelikopter dem Fluggebiet einer Drohne, so muss der Drohnenpilot oder die Drohnenpilotin die Drohne unverzüglich landen und solange am Boden bleiben, bis der Rettungseinsatz abgeschlossen ist oder der Rettungshelikopter wieder aus dem Sichtfeld geflogen ist. Wenn sich alle an diese Regel halten, kommen wir gut und ohne kritische Situationen aneinander vorbei.
Das BAZL hat kürzlich dieses Thema im Rahmen der Kampagne #DrohneSicherFliegen aufgegriffen und diverse Plakat erstellt.
Jetzt registrieren!
Um alle Funktionen zu nutzen, erstellen Sie einfach ein neues Konto. Dann können Sie Artikel für später vormerken, Themen abonnieren und regelmäßige Aktualisierungen für Ihre Themen per E-Mail erhalten.